Rechtssatz
Eine Änderung der tatbestandsmässigen Feststellungen des erstgerichtlichen Urteiles ist nur nach Wiederholung des bezüglichen Beweisverfahrens möglich.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahren liegt vor, wenn das Berufungsgericht zur subjektiven Tatseite eine andere Beweiswürdigung als das Erstgericht vornimmt, ohne die vom Erstgericht mündlich und unmittelbar aufgenommenen Beweise zu wiederholen.
Es ist dem Gericht ohne Verletzung der Unschuldsvermutung möglich, bei seiner Entscheidungsfindung in freier Beweiswürdigung anhand prozessordnungsgemäss zustande gekommener Verfahrensergebnisse einen nicht das zu entscheidende Faktum betreffenden Tatverdacht zu bewerten. Dies gilt beispielsweise hinsichtlich der für die Annahme eines Haftgrundes nach § 131 Abs 2 StPO herangezogenen bestimmten Tatsachen (Nimmervoll, Haftrecht 2. Aufl., LexisNexis Rz 349).
03 KG.2022.12 - OGH.2022.76
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