Rechtsprechung

Rechtssätze

Rechtssätze

Auswahl
Filter
  • Fondsgebundene Lebensversicherungen: Arglistanfechtung und Rücktrittsrecht

    07 CG.2018.381 vom 27.05.2025

    In der grundlegenden Entscheidung 07 CG.2018.381 vom 27.05.2025 hat sich der Zivilsenat eingehend mit den Fragen der Zurechenbarkeit des arglistigen Verhaltens von Verhandlungsgehilfen befasst, die von beiden Vertragsteilen bei der Anbahnung des Vertrages bzw. bei geplanten Vertragsänderungen eingesetzt worden sind. In diesem Zusammenhang war auch zu erörtern, wie in atypisch gelagerten Einzelfällen im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages mit dem sog. Entreicherungsrisiko umzugehen ist.

    Davon abgesehen hat die Entscheidung das spezielle VersVG-Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers zum Gegenstand. Dessen Ausübung kann – wiederum in ganz besonders gelagerten Einzelfällen, in denen insbesondere ein Vertrauenstatbestand beim Versicherer geschaffen wurde – ausnahmsweise als widersprüchliches Verhalten und damit als rechtsmissbräuchlich einzuordnen sein.

    Rechtssatz

    1) Vom Versicherer für den Vertrieb von Versicherungsverträgen eingesetzte Absatzmittler sind keine unbeteiligten Dritten iSd § 875 ABGB, sondern sogenannte "unechte" Dritte. Ob diese unechten Dritten zugleich Erfüllungsgehilfen sind, ist für die Arglistanfechtung nicht entscheidend. Entscheidend ist demgegenüber, in welcher Funktion sie die Verhaltensweise setzen, deren Zurechnung fraglich ist, dh, ob sie dabei Interessen des Versicherers oder des (potentiellen) Versicherungsnehmers verfolgen.

    2) Setzt der Versicherer einen Verhandlungsführer ein, so steht der Zurechenbarkeit des arglistigen Verhaltens dieses Verhandlungsführers nicht entgegen, dass der Versicherer von diesem Verhalten keine Kenntnis hatte. Handelt der Verhandlungsführer ausserhalb seiner Kompetenzen, kommt es auf den Rechtsschein an, der bei der Gegenseite erweckt wird.

    3) Der späteren Arglistanfechtung steht eine frühere Kündigung desselben Vertrages nicht entgegen.

    4) Für die Anwendung des § 870 Abs 1 ABGB ist nicht entscheidend, ob der arglistig Getäuschte seinen Irrtum durch Einsichtnahme in öffentliche Register wie Grundbuch oder Handelsregister hätte erkennen können.

    5) Im Falle einer erfolgreichen Arglistanfechtung ist hinsichtlich der Tragung des Veranlagungs- bzw Entreicherungsrisikos in atypisch gelagerten Fällen von einer wertenden Einzelfallbetrachtung auszugehen, auf deren Grundlage dieses Risiko jeweils zuzuweisen ist.

    6) Ein Belehrungsfehler über die Frist, innerhalb derer ein Rücktrittsrecht gem Art 65 VersVG (aF) auszuüben ist, kann auch durch widersprüchliche Angaben des Versicherers begründet sein. Es liegt an ihm, solche Widersprüche zugunsten der zutreffenden Frist unmissverständlich zu beseitigen.

    7) Selbst bei nicht ordnungsgemässer Belehrung über das Rücktrittsrecht gem Art 65 VersVG (aF) kann dessen Ausübung in seltenen Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich sein, wenn besonders gravierende Umstände vorliegen, welche die Ausübung treuwidrig erscheinen lassen. Dies kann namentlich gelten, wenn ein Rücktrittsberechtigter durch erhebliche Zuzahlungen nach Vertragsschluss, zu denen keine Verpflichtung bestand, sowie durch wiederholte Vorschläge zu Vertragsanpassungen und den Austausch über weitere Investitionsmöglichkeiten beim Versicherer einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Erfolgt schlussendlich dennoch ein Rücktritt, so kann dies ein grob widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) darstellen.

    8) Bei Vorliegen einer wirksamen vertraglichen Pflichtenabgrenzung kommt es auf eine Freizeichnung von Pflichtverletzungen nicht an, wenn es dabei um Pflichten geht, die den angeblich Pflichtverletzenden aufgrund der vertraglich vereinbarten Pflichtenverteilung von vornherein gar nicht getroffen haben.

    9) Eine Zurechnung von Erfüllungsgehilfenverhalten ist über § 44 Abs 1 SchlT PGR auch dann möglich, wenn der Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses tätig wurde.

    #Arglistanfechtung eines fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrags  #Rechtsschein  #Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers  #Versicherungsnehmer, Rücktrittsrecht  #Rechtsmissbrauch  #bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Dauerschuldverhältnisses  #Entreicherungsrisiko, Tragung  #culpa in contrahendo  #Hilfsperson, Zurechnung  
  • Zum vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt

    07 CG.2022.174 vom 27.05.2025

    Rechtssatz

    1) Der vom Erst- und Berufungsgericht in freier Beweiswürdigung festgestellte Sachverhalt (hier: der vom Berufungsgericht nach Beweiswiederholung festgestellte Sachverhalt) ist für das Revisionsgericht – ausgenommen im Fall krass unrichtiger Feststellungen – unüberprüfbar. Ob die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen in der Beweiswürdigung voll inhaltlich richtig und überzeugend sind, fällt in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung (Fortsetzung der bisherigen Rsp).

    2) Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (Fortsetzung der bisherigen Rsp).

    07 CG.2022.174 - OGH.2025.26

    #letztwillige Verfügung von Todes wegen  #Testament  #Vermächtnis  #Heranziehung von Externa, Voraussetzung  #Revision, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens  #Revision, Aktenwidrigkeit  #Aktenwidrigkeit  #Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens  #Beweiswürdigung, unzulässige Bekämpfung  
  • Zur Wiedererwägung

    SV.2024.25 vom 27.05.2025

    Rechtssatz

    Bezogen auf Entscheidungen zu Wiedererwägungsgesuchen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diesbezüglich eine formelle Verfügung zu erlassen ist (E 10). Die Frage bleibt offen, ob eine Anfechtung der (formellen) Verfügung über ein Wiedererwägungsgesuch in allen Fällen möglich ist (E 11). Die Wiedererwägung kann sich nur auf Entscheide beziehen, welche nicht Gegenstand einer gerichtlichen Beurteilung gebildet haben; soweit eine Entscheidung gerichtlich beurteilt wurde, handelt es sich um eine abgeurteilte Sache, was eine Wiedererwägung von vornherein ausschliesst E 12).

    SV.2024.25 - OGH.2025.43

    #Wiedererwägung  #Erlass einer formellen Verfügung  #Anfechtung des Wiedererwägungsentscheids  
  • Zur Berufungsentscheidung in nicht öffentlicher Sitzung

    SV.2024.36 vom 27.05.2025

    Rechtssatz

    1) Nichtigkeit einer Berufungsentscheidung, die trotz Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung bei Nichtvorliegen der sonstigen Voraussetzungen dafür in nicht öffentlicher Sitzung gefällt wurde. Wenn ein Nichtigkeitsgrund in dieser Weise verwirklicht wurde, ist auch nicht zu prüfen, ob dadurch inhaltlich die Rechtsposition der betreffenden Partei beeinträchtigt wurde oder nicht. Ausserdem hat das Revisionsgericht in diesem Fall auf die weiteren inhaltlichen Ausführungen der im Revisionsverfahren eingebrachten Schriftsätze schon deshalb nicht einzugehen, weil durch die unterbliebene Einbeziehung von relevantem Vorbringen und massgeblichen Anträgen eines Verfahrensbeteiligten durch die Vorinstanz eine unvollständige Entscheidungsgrundlage besteht. 

    2) Wenn nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorausgegangenes Verfahren aufgehoben wird, ist § 51 ZPO nicht anzuwenden.

    SV.2024.36 - OGH.2025.51

    #Nichtigkeit der Berufungsentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung  #Berufungsentscheidung, nichtöffentliche Sitzung  
  • Zur sozialversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht

    SV.2024.24 vom 04.04.2025

    Rechtssatz

    Die sozialversicherungsrechtliche Schadenminderungspflicht ist im Aufgabenbereich (insbesondere der Haushaltführung) nicht qualitativ bzw quantitativ anders ausgestaltet als die Schadenminderungspflicht im Erwerbsbereich. Es trifft zwar zu, dass die Schadenminderungspflicht im Aufgabenbereich deutlich häufiger Frauen als Männer betrifft. Allein daraus kann indessen kein Rechtsgleichheitsproblem bzw keine Diskriminierung abgeleitet werden. Denn es geht eben im Vergleich von Erwerbstätigkeit und Haushaltführung nicht um eine andere Schadenminderungspflicht und nicht um eine anders ausgestaltete Konkretisierung der Schadenminderungspflicht (E 12.5). Massgebend ist dabei immer der Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände (E 12.6). Die Schadenminderungspflicht gilt nur insoweit, als die betreffende Massnahme im konkreten Einzelfall zumutbar ist (E 12.6).

    SV.2024.24 - OGH.2025.14

    #Haushaltsführung, Mitwirkung von Familienangehörigen und Dritten  #Schadenminderungspflicht, Sozialversicherungsrecht  #Diskriminierungsverbot, Sozialversicherungsrecht  #Rechtsgleichheitsgebot, Sozialversicherungsrecht  
  • Beweiswiederholung und Beweisergänzung

    07 CG.2020.70 vom 04.04.2025

    Rechtssatz

    1) Es ist entscheidend, ob das Verhalten des Gerichts dem durch § 457 Abs 4 ZPO gewährleisteten Informationswert entspricht. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht nach dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Berufungsverhandlung entgegen der Bestimmung des § 457 Abs 4 ZPO den Parteien nicht bekanntgegeben, dass es gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts Bedenken habe, es war jedoch offensichtlich auch dem Kläger von vornherein klar, was Gegenstand der vom Berufungsgericht beschlossenen „Beweisergänzung“ (= Beweiswiederholung) war.

    2) Lautet die Geldschuld schlechthin auf eine bestimmte ausländische Währung und ist sie im Inland zu erfüllen, so hat der Gläubiger Anspruch auf Zahlung in dieser Währung – hier: Anpassung des Spruchs an die im Klagebegehren beantragte EURO-Währung.

    07 CG.2020.70 - OGH.2025.15

    #Arbeitsvertrag  #Anspruchsgrundlage, neue  #Neuerungsverbot  #Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht  #Beweisergänzung  #EUR-Währung  
  • Zur Geldwäscherei

    03 KG.2024.23 vom 04.04.2025

    Rechtssatz

    § 165 StGB enthält in seinem Abs 1 und Abs 2 jeweils rechtlich gleichwertige Begehungsweisen. Verwirklicht ein Täter in Bezug auf denselben Vermögensbestandteil mehrere Begehungsformen eines der beiden Absätze, liegt dennoch nur eine einzige strafbare Handlung vor, weil es sich um ein alternatives Mischdelikt handelt.

    Eine Deckungs- und Verwertungshandlung ist keine „Begleittat“, sondern eine Nachtat. Die Nachtat ist nur straflos, wenn sie sich gegen dasselbe Rechtsgut richtet und keinen über die Haupttat hinausreichenden Schaden bewirkt.

    Verwahren ist mehr als das Erlangen des blossen Gewahrsams und kann vereinfacht als Sicherung der Beute für weitere Zwecke und somit als Nachtat verstanden werden.

    Regelungsziel des § 165 StGB ist die Verhinderung der wirtschaftlichen Disposition über die durch die Begehung bestimmter Delikte erlangten Vermögenszuwächse. Normzweck ist die Unverwertbarkeit kriminell kontaminierten Vermögens sowie der Schutz der Sauberkeit des Finanz- und Wirtschaftsverkehrs vor den verbrecherischen Vermögenswerten. In diesem Zusammenhang dient § 165 StGB auch dem Schutz der Rechtspflege.

    Geschütztes Rechtsgut beim Vergehen des Diebstahles nach § 127 StGB ist fremdes Vermögen bzw bei den Deliktsqualifikationen des § 129 StGB darüber hinaus das Hausrecht sowie auch die Privatsphäre.

    Bei den Tathandlungen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB handelt es sich bereits mangels Identität des Rechtsgutes um keine straflosen Nachtaten des Einbruchsdiebstahles.

    03 KG.2024.23 - OGH.2025.23

    #Nichtigkeitsgrund gemäss § 11 § Z 1 erster Fall StPO  #Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB  #Verwahren der Diebesbeute als Tathandlung der Eigengeldwäscherei  #alternatives Mischdelikt  #Realkonkurrenz  #straflose Nachtat  #Scheinkonkurrenz  #typische Begleittat  #Zusammenrechnungsgrundsatz mach § 19 StGB  #Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB  #ausländische Verurteilungen  #Unschuldsvermutung des Art 6 ABs 2 EMRK  #langes Zurückliegen einschlägiger Vorstrafen  #Milderungsgrund des langen Wohlverhaltens nach § 34 Abs 1 Z 18 StGB  #Doppelverwertungsverbot bei Wertung der mehrfachen Wiederholung der Taten bei gewerbsmässiger Begehung als erschwerend  #hoher sozialer Störwert bei Einbrüchen in Wohnstätten  
  • AHV-IV-FAK: Zur vollständigen Rückzahlung von bereits abgerechneten Beiträgen

    SV.2024.15 vom 07.03.2025

    Rechtssatz

    Ob Beiträge zugunsten der AHV-IV-FAK-Anstalten geschuldet sind und gegebenenfalls in welcher Höhe, stellt eine Frage dar, bezogen auf welche eine Arbeitgeberin zweifelsohne beschwert ist, wenn die entsprechende Frage strittig wird. Denn ein diesbezüglicher Entscheid der Anstalten bedeutet für die Arbeitgeberin ein Recht bzw eine Pflicht. Insoweit ist eine Arbeitgeberin von einem entsprechenden Entscheid materiell berührt und damit zugleich beschwert (E 10.3). Auch die vollständige Rückzahlung von bereits abgerechneten Beiträgen an die Arbeitgeberin bedeutet einen Eingriff in Rechte und Pflichten der Arbeitgeberin (E 10.4).

    SV.2024.15 - OGH.2025.3

    #AHV-IV-FAK-Beiträge, Abrechnung  #AHV-IV-FAK-Beiträge, Rückzahlung  #AHV-IV-FAK-Beiträge, Beschwer der Arbeitgeberin  
  • Invalideneinkommen: Bedeutung von erworbenen Fähigkeiten

    SV.2024.17 vom 07.03.2025

    Rechtssatz

    Die blosse Unmöglichkeit der Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit lässt die bisher erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht insgesamt unmassgeblich werden lässt. Vielmehr leuchtet unmittelbar ein, dass Fähigkeiten und Kenntnisse, welche bisher erworben wurden, je nach konkretem Umstand auch in einer Verweisungstätigkeit von Bedeutung sein können (E 10.3).

    Konkretisierung von Kompetenzniveau 2 der LSE: Im Kompetenzniveau 2 geht es um praktische Tätigkeiten wie Verkauf/Pflege/Datenverarbeitung und Administration/Bedienen von Maschinen und elektronischen Geräten/Sicherheitsdienst/Fahrdienst. In Kompetenzniveau 2 sind besondere Fertigkeiten und Kenntnisse verlangt, wozu Führungserfahrung, zusätzliche formale Weiterbildungen oder andere während der Berufsausübung erworbene besondere Qualifikationen gehören (E 10.3).

    SV.2024.17 - OGH.2025.1

    #Invalideneinkommen  #Bestimmung  #Invalideneinkommen, erworbene Fähigkeiten  #Invalideneinkommen, Kompetenzniveau 2 der LSE  
  • Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Erwerbstätigkeit in AHV-rechtlicher Hinsicht

    SV.2024.13 vom 07.03.2025

    Rechtssatz

    Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Erwerbstätigkeit in AHV-rechtlicher Hinsicht (Art 34, Art 38 AHVG). Der Rechtsprechung lässt sich direkt entnehmen, dass die entsprechende Abgrenzungsfrage gestützt auf eine Vielzahl von Kriterien zu beantworten ist. Weil die entsprechende Frage nur alternativ beantwortet werden kann (und Mischformen bezogen auf dieselbe Tätigkeit ausgeschlossen sind), geht es in manchen Fällen um das Gewichten von Argumenten. Es sind also regelmässig die verschiedenen Indizien zu berücksichtigen, welche gemäss der Rechtsprechung von Bedeutung sind. Dabei kann sich ergeben, dass einzelne Kriterien für die eine Art der Tätigkeit und andere Kriterien für die gegenteilige Form der Tätigkeit sprechen. Bei dieser Ausgangslage ist jeweils ein Gewichten der einzelnen zu berücksichtigenden Indizien erforderlich (E 14, E 15).

    SV.2024.13 - OGH.2024.95

    #selbständig vs unselbständige Erwerbstätigkeit in AHV-rechtlicher Hinsicht  
  • Zur Haftung nach Art 29 AHVG

    SV.2024.6 vom 07.02.2025

    Rechtssatz

    Die Haftung nach Art 29 AHVG setzt folgende Tatbestandselemente voraus:

    -    Schaden

    -    Widerrechtlichkeit

    -    (qualifiziertes) Verschulden

    -    natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang.

    Diese Tatbestandselemente müssen für eine Verantwortlichkeit gestützt auf Art 29 AHVG kumulativ erfüllt sein (E. 7).

    Wenn eine Zahlung an die AHV-Anstalt unter Verwendung eines bestimmten Einzahlungsscheins erfolgt, ohne dass eine Zuordnung zu einer bestimmten Forderung seitens der Arbeitgeberin vorgenommen wird, und fehlt es an einer ausdrücklichen oder an einer sinngemässen Festlegung der Arbeitgeberin, dass entgegen den Angaben auf dem Einzahlungsschein eine Zuordnung zu einer früheren Beitragsperiode vorgenommen werden soll, ist die Bezahlung an die auf dem Einzahlungsschein angegebene Beitragsperiode anzurechnen (E. 10.4.3.).

    Nach Art 34 Abs 2 AHVV hat der Arbeitgeber der Anstalt wesentliche Änderungen der Lohnsumme während des laufenden Jahres zu melden. Damit wird offensichtlich eine zentrale Vorschrift der Versicherung aufgestellt, deren Missachtung zu einer Verantwortlichkeit nach Art 29 AHVG führt. Die fehlende Meldung einer Änderung der massgebenden Lohnsumme ist als grobe Fahrlässigkeit zu werten (E. 11.4.1.). Dass die Überwachung der Wahrnehmung dieser zentralen Pflicht auch zu den Aufgaben eines Verwaltungsrates gehört, steht fest. Gerade wenn von den interessierenden (höheren) Lohnzahlungen die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden, wird aufgezeigt, dass Kenntnis von den gesetzlichen Vorschriften bestand. In solchen Fällen kann bei Nichtentrichtung der Beiträge an die Revisionsgegnerin nur in ganz besonderen Fällen von einer Haftung abgesehen werden (E 11.4.2.).

    SV.2024.6 - OGH.2024.83

    #Haftung nach Art 29 AHVG  #Verschulden des Verwaltungsrats, Sozialversicherungsrecht  #Schadensbegriff  
werbung werbung

Filterx

A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
Z
Ä
Ö
Ü