Rechtssatz
1) Im Anwendungsbereich des Art 40 IPRG ist ein Darlehensvertrag an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Niederlassung derjenigen Vertragspartei anzuknüpfen, welche die Darlehenssumme zur Verfügung stellt. Der Darlehensgeber ist der Erbringer der vertragscharakteristischen Leistung. Die Lokalisierung derjenigen Partei, die Zinsen für die Gewährung des Darlehens schuldet, ist kollisionsrechtlich ohne Belang.
2) Was im Einzelfall für den gutgläubigen Erwerb einer beweglichen Sache vom Nichtberechtigten an Nachforschungs- und Sorgfaltspflichten seitens des Erwerbers zu erfüllen ist und welche konkreten Umstände diese Pflichten auslösen, ist objektiv zu beurteilen und weitgehend Gegenstand richterlichen Ermessens iSd Art 4 SR. Die blosse Möglichkeit zusätzlicher Nachforschungen über die Verfügungsberechtigung ist irrelevant; entscheidend ist, was im Erwerbszeitpunkt (also ex ante) geboten war. Dem jeweils betroffenen Geschäftszweig kommt dabei typen- und massstabsbildende Bedeutung zu. So gelten etwa für den Handel mit und die Belehnung von Gebrauchtwaren gesteigerte Anforderungen an die Gutgläubigkeit.
3) Bei der Abwägung zwischen Bestands- und Verkehrsinteressen kommt den richterlich zu konkretisierenden Anforderungen an die vom gutgläubigen Erwerber zu erfüllenden Nachforschungs- und Sorgfaltspflichten zentrale Scharnierfunktion zu: Je strenger die Anforderungen sind, desto schwächer ist die Rechtsscheinwirkung des Besitzes und umgekehrt.
4) Während ein auffallend tiefer Kaufpreis Anlass zu Misstrauen gibt und dementsprechend die Erfüllung besonders gesteigerter Nachforschungspflichten beim Käufer für dessen Gutgläubigkeit bedingt, gilt das für den Pfandgläubiger und Darlehensgeber, dessen Gegenüber einen tiefen Belehnungswert der Pfandsache (hier: eines Fahrzeuges) akzeptiert, nicht in demselben Masse.
5) Die Seltenheit oder der hohe Wert eines als Pfand angebotenen Fahrzeugs begründet für sich alleine noch keinen Misstrauensanlass für den späteren Pfandgläubiger. Denn die Annahme ist nicht zwingend, dass Verpfänder solcher Gegenstände häufiger unredlich handelten als jene, die weiter verbreitete oder weniger wertvolle Gegenstände verpfänden. Dementsprechend ist es weniger der Wert oder Verbreitungsgrad eines Fahrzeuges als vor allem die Schwäche des durch seinen Besitz vermittelten Rechtsscheines, welche gesteigerte Sorgfaltspflichten gebietet. Der Rechtsschein einer Besitzlage hängt demnach nicht grundsätzlich vom Wert des Besitzes ab.
6) Dubiose Umstände eines Vertragsschlusses begründen stets gesteigerte Nachforschungspflichten beim Erwerber, der sich auf Gutgläubigkeit beruft.
7) Eine AGB-Klausel, welche die Berechtigung zur umfassenden privaten Verwertung einer Pfandsache einschliesslich Selbsteintritt enthält, ist im Verkehr mit Banken, Pfandleihhäusern und vergleichbaren Einrichtungen weder unüblich noch kommt ihr ein verpönter Überrumpelungseffekt zu. Sie ist daher nicht ungewöhnlich iSd § 864a ABGB.
05 CG.2021.163 - OGH.2023.102